Jedes Jahr sterben in Deutschland Tausende Patienten an schwarzem Hautkrebs. Um diese Zahl zu senken, starteten drei sächsische Einrichtungen im Juni ein vielversprechendes Forschungsprojekt: Mit „KI-CARs“ wollen das Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI, die Universität Leipzig und das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) die Immuntherapie entscheidend weiterentwickeln. Künstliche Intelligenz soll die körpereigene Immunabwehr gezielt aktivieren, um den Tumor wirksamer und nebenwirkungsärmer zu bekämpfen.
In der Bundesrepublik erkranken jährlich fast 24.000 Menschen am malignen Melanom: dem schwarzen Hautkrebs. Die Tumorart ist besonders aggressiv. Wird sie nicht frühzeitig erkannt, bildet sie Metastasen, also Tochtergeschwülste in anderen Körperteilen. Trotz moderner Therapien liegt die 10-Jahres-Überlebensrate bei fortgeschrittenem Krankheitsverlauf derzeit bei unter 20 Prozent. Damit bleibt die Behandlung trotz intensiver Forschung eine große Herausforderung.
Immuntherapie hilft nur jedem zweiten Patienten
Eines der heutigen Behandlungsverfahren ist die Immuntherapie. Sie soll verhindern, dass Tumorzellen die Immunantwort des Körpers unterdrücken. „Eigentlich ist unser Immunsystem in der Lage, Tumorzellen zu erkennen und zu bekämpfen“, erläutert HZDR-Forscherin Dr. Anja Feldmann. „Doch unglücklicherweise können Tumorzellen das Immunsystem so beeinflussen, dass es den Krebs nicht mehr erkennt.“ Die Immuntherapie versucht diesen Täuschmechanismus auszuhebeln: Spezielle Medikamente blockieren Proteine, die die Krebszellen nutzen, um das Immunsystem zu unterdrücken. Dadurch können die Killerzellen des Immunsystems (T-Zellen) die Tumorzellen besser erkennen und bekämpfen. Das Problem: Die Therapie kann erhebliche Nebenwirkungen haben. Zudem spricht über die Hälfte der Behandelten nicht auf die Medikamente an.
Die neue CAR-T-Zell-Immuntherapie
Deshalb versucht es das Team aus Leipzig und Dresden nun mit einer tumorspezifischen CAR-T-Zell-Immuntherapie. Das Prinzip: Den Erkrankten wird Blut abgenommen, aus der Blutprobe werden T-Zellen isoliert. Sie werden per Gentechnik mit künstlichen Rezeptoren versehen, den chimären Antigenrezeptoren (CAR). Diese agieren wie Fühler, mit deren Hilfe die T-Zellen bestimmte Marker auf den Krebszellen erkennen können. Die Immunabwehr wird aktiviert und kann die Tumorzellen gezielt angreifen.
Bei bestimmten Blutkrebs-Arten hat die Methode bereits einigen Erfolg. Nun soll sie auch in der Behandlung von schwarzem Hautkrebs angewandt werden. Die Herausforderung: „Anders als beim Blutkrebs handelt es sich beim Melanom um solide Tumoren“, beschreibt Feldmann. „Diese Tumoren können die Immunreaktion besonders gut unterdrücken, außerdem fällt es den T-Zellen schwerer, in sie einzudringen.“ Zudem drohen auch hier gravierende Nebenwirkungen: Die aktivierten T-Zellen können übers Ziel hinausschießen und neben dem Tumor auch gesunde Zellen attackieren oder im Körper eine regelrechte Entzündungs-Lawine auslösen.
Therapieabbruch bei schweren Nebenwirkungen
Um diese Risiken zu minimieren, nutzen Anja Feldmann und ihr Team am HZDR eine neue Variante. Statt nur eines künstlichen Rezeptors setzen die Fachleute zwei Komponenten ein. „Zwar bestücken auch wir die T-Zellen mit einem Rezeptor“, erklärt die Forscherin. „Allerdings ist dieser Rezeptor allein noch nicht in der Lage, Krebszellen aufzuspüren.“ Aktiv wird er erst, wenn ein weiteres Molekül dazukommt – das Target-Molekül, quasi der Einschalter. Dadurch gewinnt die Therapie an Sicherheit: Sollten sich während der Infusion Anzeichen von schwerwiegenden Nebenwirkungen zeigen, kann die Gabe des Schaltmoleküls sofort unterbunden werden. Dadurch werden die T-Zellen innerhalb kurzer Zeit inaktiv, die unerwünschte Nebenwirkung lässt rasch nach. „Unser Ansatz scheint im Prinzip zu funktionieren, wie erste vielversprechende Daten zeigen“, sagt Feldmann.
Vor allem geht es bei KI-CARs darum, möglichst brauchbare Marker auf den Krebszellen zu identifizieren, die den Immunzellen als Erkennungsmerkmal dienen. Ideal wäre es, die Marker würden hauptsächlich auf den Tumorzellen vorkommen – dann wäre die Therapie zugleich wirksam und nebenwirkungsarm. Um solche Marker aufzuspüren, werden die Leipziger Partnereinrichtungen moderne Methoden der Gensequenzierung verwenden. Dabei kommen Unmengen an komplexen Datensätzen zusammen. Um sie zu analysieren, wollen die Fachleute KI-Algorithmen einsetzen. Zudem soll Künstliche Intelligenz helfen, Target-Moleküle zu designen, um Krebszellen über einzelne oder verschiedene Marker in Kombination aufzuspüren und damit die Therapie möglichst effektiv und sicher zu gestalten. „Mit unserem Grundlagenprojekt wollen wir zeigen, dass unser Ansatz im Prinzip umsetzbar ist“, erläutert Anja Feldmann. „Doch bis zu einer Zulassung ist der Weg noch weit, dafür wird es aufwändige klinische Studien brauchen.“