Immer mehr Menschen schenken ihre Zeit den Tafeln: Bundesweit engagieren sich 75.000 Menschen, um in einer der 975 Tafeln Lebensmittel zu retten und damit Menschen zu helfen. Das sind nach Angaben des Bundesverbandes der Tafeln rund 15.000 mehr als noch 2023. Mit 94 Prozent arbeitet der überwältigende Anteil aller Tafel-Aktiven ehrenamtlich. Trotz des Zuwachses benötigen knapp ein Drittel aller Tafeln dringend mehr freiwillige Helfer. Der fehlende Nachwuchs im Ehrenamt ist eine ihrer größten Herausforderungen.
„In Sachsen sieht es leider nicht wirklich anders aus“, bestätigt Stephan Trutschler, Vorsitzender des Landesverbandes der Sächsischen Tafeln. „Wir haben im Freistaat aktuell 45 Tafeln, von denen 44 im Landesverband organisiert sind. Insgesamt betreiben diese Tafeln rund 100 stationäre als auch mobile Ausgabestellen. „Das Netz reicht hier von Zittau und Niesky bis über Delitzsch und Torgau im Norden, Olbernhau und Dippoldiswalde im Süden, bis hin nach Plauen und Pausa in Westsachsen“, so Trutschler. Insgesamt engagieren sich rund 900 überwiegend ehrenamtlich tätigen Helfer. Zu ihnen kommen fast eine Million „Abholer“.
„Seit der Corona-Pandemie, dem Krieg in der Ukraine sowie der Inflation sind die Tafeln enorm belastet und unterstützen so viele Menschen wie nie zuvor mit Lebensmitteln, aber auch mit Zuspruch und Gemeinschaft. Dies betrifft in erster Linie unsere Tafeln im grenznahen Bereich, aber natürlich auch in den drei Großstädten Dresden, Leipzig und Chemnitz. Wir arbeiten punktuell schon im Ausnahmezustand, da nach wie vor die Nachfrage höher ist als das Aufkommen an gespendeten Lebensmitteln“, erläutert der Landesvorsitzende. „Das geht nur mit viel Kraft und durch eine unglaubliche Teamleistung. Zwei Millionen Stunden engagieren sich die Tafel-Aktiven deutschlandweit jeden Monat. Das sind im Schnitt 22 Stunden pro Ehrenamtlicher“, ergänzt der Vorsitzende der Tafel Deutschland, Andreas Steppuhn.
„Rund 20.000 Stunden gespendete Zeit jeden Monat allein bei uns im Freistaat Sachsen sind mehr als ein Zeichen der Solidarität. Dieses Engagement ist ein systemrelevanter Einsatz für unsere Gesellschaft und sichert durchaus auch einen gewissen Anteil am sozialen Frieden in Sachsen“, sagt Trutschler. Von der Politik, aber insbesondere von der neuen Landesregierung, fordert Trutschler, dieses teilweise herausragende bürgerschaftliche Engagement nicht nur mit Worten zu würdigen, sondern auch ganz konkret zu unterstützen und zu fördern. „Der Staat sollte diese ungeheure Kraft unserer Zivilgesellschaft hebeln, um unser Land weiterhin positiv zu gestalten. Engagement muss weniger bürokratisch staatlich gefördert werden, sowohl auf der Ebene der gemeinnützigen Organisationen und ihrer Arbeit als auch für den Einzelnen. Kostenfreie ÖPNV-Tickets sollten selbstverständlich sein, aber auch eine Anrechnung von freiwilligem Engagement auf Rentenpunkte wäre natürlich ein sinnvoller Anreiz“, ergänzt Steppuhn.
„Hinzu kommt, dass sich die Lebensrealität gerade der jüngeren Menschen verändert hat. Ein Studium im Ausland, das Praktikum in der anderen Stadt, Vereinbarkeit von Familie, Freunden und Job sowie digitaleres und ortsungebundeneres Arbeiten führen dazu, dass Menschen sich nicht mehr so langfristig und mit weniger Stunden an ein Ehrenamt oder einen Verein binden, sondern kurzfristig in einem Projekt helfen wollen. Dafür müssen wir Tafeln befähigen, ihre Angebote für Helfer anzupassen und durch hauptamtliche Kräfte zu ergänzen, die die Engagierten koordinieren und unterstützen“, so Trutschler mit Blick auf die Nachwuchssorgen vieler sächsischer Tafeln. Ehrenamtliche Helfer fehlen vor allem außerhalb der großen Städte oder der Mittelzentren.
SZ-Lebensbegleiter-Tipp
Wenn Sie sich bei einer sächsischen Tafel ehrenamtlich engagieren möchten, finden Sie Informationen und die nächstgelegene Tafel über die Tafel-Suche: www.tafel-sachsen.de.
Fakten zu den Tafel-Aktiven in Deutschland
+ 75.400 Tafel-Aktive, davon 71.000 Ehrenamtliche (94%)
+ Fast 2 Millionen Stunden, 1,6 Millionen Stunden von Ehrenamtlichen, knapp 400.000 Stunden von Beschäftigten
+ 22 Stunden pro Monat waren ehrenamtliche Helfer durchschnittlich für eine der 975 Tafeln aktiv
+ 22 Prozent von ihnen arbeiteten maximal 10 Stunden pro Monat, knapp 7 Prozent waren über 40 Stunden aktiv
+ 67 Prozent der Helfer sind Senioren
+ 62 Prozent der Helfer sind Frauen
+ 15 Prozent sind selbst Kunden
+ nur 7 Prozent der Helfer sind unter 35 Jahre alt
Die Arbeit der Tafel im Überblick
Seit dem Jahr 2006 unterstützt der Landesverband Tafel Sachsen e.V. jährlich rund 200.000 von Armut betroffene Bürger in Sachsen regelmäßig mit Lebensmittelspenden, um diesen trotz „schmalen Geldbeutels“ eine gesunde und ausgewogene Ernährung zu ermöglichen. Die Tafeln schaffen eine Brücke zwischen Überfluss und Mangel. Sie sammeln qualitativ einwandfreie Lebensmittel, die sonst im Müll landen würden und verteilen diese an sozial sowie wirtschaftlich Benachteiligte und von Armut bedrohte Menschen – kostenlos oder zu einem geringen finanziellen Betrag.
Mit über 960 Tafeln in Deutschland und rund 2.000 Ausgabestellen bundesweit verfügt der Bundesverband Tafel Deutschland e.V. über ein breites Netzwerk, um Lebensmittelspenden von Supermärkten und regionalen Produzenten an diese Mitbürgerinnen und Mitbürger auf örtlicher Ebene zu verteilen. Damit können rund 265.000 Tonnen Lebensmittel jährlich gerettet und ungefähr 1,5 Millionen Tafelgäste bedient werden.
Der Landesverband Tafel Sachsen e.V. vereint 45 Mitglieds-Tafeln im Freistaat Sachsen. Diese sind vielfältig aufgestellt und verschiedensten Bürgerinitiativen, sozialen Trägern, Wohlfahrtsverbänden und eigenständigen gemeinnützigen Vereinen angegliedert. Die Arbeit der Tafeln erfolgt in erster Linie durch ehrenamtliches Engagement der über 1.000 Mitarbeiter und besteht in einem selbstlosen Wirken beim Austausch von überzähligen Lebensmittel-Großspenden sowie Bedarfsgütern des täglichen Lebens, welche von den Erzeugern, dem Handel und der Industrie angeboten, abgeholt, portioniert und verteilt werden.