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Karte Sachsen umriss
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Vater und Mutter von Ernst Hirsch
Die Eltern von Ernst Hirsch 1925 in Loschwitz. Foto: Emma Martin

Vater & Mutter von Ernst Hirsch – Biografie Teil 3

In seiner Autobiografie „Ernst Hirsch – Das Auge von Dresden“ widmet sich Ernst Hirsch intensiv seiner Familiengeschichte. Nach den Großeltern lesen Sie nun seine Erinnerungen an Vater und Mutter.

Der Lebenslauf des Vaters

Seinen Lebensweg hat mein Vater 1945 so beschrieben: „Am 13. Februar 1900 als erster Sohn eines Bauarbeiters geboren, entstamme ich einfachsten Verhältnissen und habe infolge Armut und Arbeitslosigkeit in der 6-köpfigen väterlichen Familie bereits frühzeitig die harte Not des Lebens kennen- und schon seit meiner Kindheit durch Arbeitsleistungen aller Art zu meistern gelernt. Alles, was ich erreicht habe und geworden bin, habe ich mir als selfe-made-man aus Eigenem schwer erkämpfen müssen. Zunächst nur mit Volksschulbildung ausgestattet, war ich von 1914 bis 1917 bei dem verstorbenen Rechtsanwalt und Notar Bernstein in Dresden Schreiberlehrling und Expedient. Sodann wurde ich Beamtenanwärter bei der Dresdner Stadtverwaltung, wo ich vornehmlich im Wohlfahrtspolizeiamt tätig war. Erfüllt von Vorwärtsstreben und wissenschaftlichem Drange bildete ich mich alsdann unter Zuhilfenahme geliehener Mittel und gefördert durch die damalige Arbeiterregierung unter Ministerpräsident Buck nebenher privatim weiter aus, bestand 1919 das frühere Einjährig- Freiwillige. Und anschließend das Aufnahmeexamen für die Oberprima, die ich unter Fortsetzung meines Arbeitsverhältnisses bei Rechtsanwalt Bernstein im Wettiner Gymnasium zu Dresden besuchte und 1920 mit dem Reifezeugnis »gut« verließ. Von 1920 bis 1923 in den schweren Jahren der Inflationszeit studierte ich an der Universität Leipzig Rechtswissenschaft und Volkswirtschaft und promovierte später mit einer Arbeit aus den Gebieten des damaligen Aufwertungsrechts zum „doctor juris“. Die Existenz- und Studienmittel während dieser Zeit erwarb ich mir durch eine Stellung als Privatsekretär bei dem bekannten Zivilprozess-Rechtslehrer Prof. Stein.

Der Vater von Ernst Hirsch
Ernst Hirsch, Vater des Autors, als Student in Leipzig, 1925. Foto: Sammlung Ernst Hirsch

Nach der üblichen Referendarzeit bestand ich 1926 das Assessor-Examen mit der Note »gut«, war seitdem stets bei den Gerichten in Dresden als Zivilrichter beschäftigt und wurde 1929 zum Landgerichtsrat, 1937 zum Oberlandesgerichtsrat befördert.

Als solcher war ich zuletzt Mitglied eines Zivilsenats, zu dessen Zuständigkeit neben Familienrechtssachen aller Art, vor allem auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts, die richterliche Vertragshilfe und Pflegschafts- sowie Vermögensverwaltungssachen gehörten. Außerdem war ich infolge der räumlichen Trennung des Oberlandesgerichte als Verwaltungssachbearbeiter für Haus- halts-, Grundstücks-, Bücherei-, Dienstaufsichts-, Ehefähigkeits- und ähnliche Angelegenheiten zugezogen worden. Herkunft, Entwicklungsgang und Beruf haben mich auf’s engste mit allen Volksschichten und Lebensverhältnissen vertraut gemacht. Im Februar dieses Jahres selbst völlig ausgebombt und in einfachsten wirtschaftlichen Verhältnissen lebend, von jeher vermögenslos und auf Broterwerb angewiesen, kenne ich aus eigenen Lebenskämpfen die Sorgen und Nöte unseres Volkes und seiner Menschen, habe mit der sozialen Frage stets im engsten Zusammenhang gestanden, von klein auf gedient und der Gesellschaftsordnung mein lebhaftes Interesse zugewendet. Ich darf sagen, dass ich, erfüllt vom Gerechtigkeitssinn und tiefen sozialen Verständnis, stets bemüht war, ohne Ansehen der Person ausgleichend und helfend überall da einzugreifen, wo es die Lage erforderte. Gerade meine Herkunft aus dem Arbeiterkreise, mit dem ich auch jetzt noch fast ausschließlich in Verbindung stehe (meine Ehefrau, mit der ich seit 1927 verheiratet bin und die mir 1936 einen Sohn geboren hat, ist die Tochter eines einfachen Zimmermanns), und mein eigener schwerer Lebenskampf bilden, ganz unabhängig von meinem 1933 durch meine Beamtenstellung veranlassten Parteizugehörigkeit die Gewähr dafür, dass ich im Sinne einer freiheitlichen und gerechten sozialen Ordnung ganz besonders im Interesse der arbeitenden Bevölkerung zu wirken vermag.

Meine Mutter kam aus Loschwitz

Die Eltern meiner Mutter wohnten in Loschwitz. Ihr Vater Ernst Johann Martin, geboren am 19. August 1857, lernte ich nicht mehr kennen, er starb im August 1924. Etwa 1885 war er nach Loschwitz gekommen.

Bis 1888 wohnte er mit seiner Familie auf der Viktoriastraße 274b (heute Veilchenweg 10), dann zog er mit der Familie auf die Grundstraße zum Hausbesitzer Teich in die Nummer 111. Seine erste Frau war gestorben. Er lernte die junge Klara Emma Kittner (geb. am 26. September 1870) kennen, die beim Kolonialwarenhändler Heinrich Jüngling auf der Grundstraße Nr. 35 neben der „Grundschänke“ angestellt war. Sie heirateten am 10. Juni 1894. Neben zwei Töchtern aus der ersten Ehe, Frida und Hedwig, kamen noch drei weitere Kinder hinzu: Johanna, Kurt und am 10. Juni 1901 Else, meine Mutter.

Mutter von Ernst Hirsch, Else
Die Mutter von Ernstt Hirsch, Else1925. Foto: Georg Klemm. ,

Großvater Martin arbeitete über 30 Jahre im Sägewerk von Ernst Weigelt. Er brauchte nur in Holzpantinen die Grundstraße zu überqueren und war am Arbeitsplatz. Als Zimmermann hat er ein manchem Bauwerk in Loschwitz mitgearbeitet, so auch beim Bau des Ateliergebäudes des Leonhardi-Museums an der früheren Hentzschelmühle. Sägewerksbesitzer Ernst Weigelt belohnte seine treue Arbeit für die Firma nach 25 Jahren 1910 mit einer goldenen Sprungdeckeluhr. Vor den russischen „Uhrensammlern“ 1945 sorgfältig versteckt, ist sie noch heute in meinem Besitz.

Später zog die Familie auf die Heinrichstraße 11b, heute An der Berglehne 16. Das Haus wurde von den Eigentümern, die aus Berlin kamen, nur in den Sommermonaten bewohnt. Meine Großen waren als Hausmeister tätig und wohnten im Souterrain. Meine Großmutter Emma Martin zog nach dem Tod ihres Mannes Ernst Johann auf die Danziger Straße 15 (heute Neugersdorfer Straße). Diese Straße hieß früher Grenzweg und bildete die Grenze zwischen Loschwitz und Bühlau.

Schon als kleiner Junge war ich oft bei der „Omi“, wie man damals sagte. Sie betreute mich liebevoll. Mit dem Hechtwagen der Linie 11 fuhren wir aus der Stadt bis zum Straßenbahnhof Bühlau. Bei Heidewanderungen, dem Besuch des Bühlauer Sportplatzes und des sonnigen Luftbades an der Bachmannstraße lernte ich auch die Umgebung der Stadt kennen.

Auf dem Waldfriedhof Weißer Hirsch pflege ich bis heute das Grab der Großeltern.

Meine Mutter wurde als Elsa Emma Johanna Martin am 10. Juni 1901 in Loschwitz, Grundstraße 111 geboren. Sie war das jüngste Kind der Familie Martin, zwei Geschwister waren vorher auf die Welt gekommen. Sie ging in Loschwitz zur Schule, einer ihrer Lehrer war Otto Kotzsch, der Sohn des Photographen August Kotzsch. Sie erlernte keinen Beruf, arbeitete aber in der Inflationszeit als Krawatten-Näherin.

Um 1922 lernte sie meinen Vater kennen. Die beiden heirateten am 27. August 1927 in der Loschwitzer Kirche. Zuerst wohnten meine Eltern auf der Laubestraße in Striesen, ab 1931 auf der Johann-Georgen-Allee 29. Im Krieg musste meine Mutter Heimarbeit verrichten. Ab 1946, nachdem die Russen meinen Vater abgeholt hatten, ging sie zu einem Bauern in Eschdorf arbeiten. Wie so viele Menschen in dieser Zeit nahm sie die harten Schicksalschläge an. Aus einer wohlsituierten bürgerlichen Existenz herausgerissen, die Wohnung und alles Hab und Gut verloren, der Ehemann und Familienvater in einem unbekannten Lager – so war ihre Lage ziemlich hoffnungslos. Dazu kam die materielle Not. Die Ersparnisse waren durch die Währungsreform ungültig geworden. Anfangs konnte ich ihr kaum helfen und verstand die traurige Situation zu wenig. Erst nach Beginn meiner Tätigkeit für das Fernsehen ging es materiell etwas besser und mir war es möglich, sie zu unterstützen.

Reisen in ihre geliebten Tiroler Berge zu den Bauersleuten, bei denen wir schon vor dem Krieg gewohnt hatten, gaben ihr etwas Hoffnung. Mit erst 60 Jahren verstarb sie 1961 nach längerer Krankheit.


Ernst Hirsch mit seiner Mutter und seinem Vater
Der Autor als Kind mit seinen Eltern, 1944. Foto: Sammlung Ernst Hirsch

In der nächsten Woche setzten wir die Autobiografie fort, dann erfahren Sie mehr über die Zeit, als Ernst Hirsch noch ein kleiner Junge war.

Das vorangegangene Kapitel über die Großeltern von Ernst Hirsch können Sie HIER nachlesen. Zum Start der Serie klicken Sie HIER.

In der Mediathek der SLUB sind viele Filme aus der Sammlung von Ernst Hirsch bereits digitalisiert.

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