DRESDEN – Erinnern Sie sich noch an Barock-Tinte? Ob in der Schule oder im Büro, im Fass oder als Patrone – die Tinte war unentbehrlich für „Füllerschreiber“. Heute befindet sich in der alten Tintenfabrik in der Radebeuler Emilienstraße der „Barock“-Eventpark – mit „Blackluxx“-3D-Minigolfen, „Fortnoxx“-Escape-Räumen und in der Garage auf dem Firmengelände warten die kleinen Flitzer Von „Hotsoxx“ auf Gruppenausfahrten (barock-eventpark.de). Doch über den vielen Vergnügungsangeboten war die alte „Barock“-Leuchtreklame aus DDR-Zeiten noch immer sichtbar auf dem Dach. Jetzt leuchtet sie sogar wieder.
Den beiden Eventpark-Inhabern Torsten Meisel und Benjamin Venter war die marode „Barock“-Werbung schon lange ein Dorn im Auge. Gemeinsam mit Gunther Lange, der in seiner Firma Octopus Fluids eine kleine, aber feine Edition „Barock-Neon-Tinten“ produziert, schoben sie eine Crowdfunding-Kampagne an. Als sie scheiterte, suchten sie nach anderen Fördermöglichkeiten – der Dresdner Stadtbezirksrat Pieschen bewilligte 15 300 Euro.

Der Barock-Schriftzug wird saniert
„Mit diesem Budget konnten wir den über 60 Jahre alten, zwei Meter hohen und 9,5 Meter breiten Barock-Schriftzug samt Tintenfass restaurieren lassen“, freuen sich Meisel und Venter. „Das Grundgerüst besteht aus starkem Stahl und konnte erhalten bleiben – natürlich entrostet und neu lackiert. Die Neonröhren mussten gegen LEDs ausgetauscht werden.“ Nach der Frischekur erstrahlt die Leuchtreklame wieder in Tintenblau in die Nacht. Sie gehört damit zu den wenigen, noch erhaltenen und funktionierenden Leuchtreklamen aus DDR-Zeiten.
DDR-Leuchtreklamen sind eine Seltenheit
Allseits bekannt ist das Margon-Haus in Dresden am Dippoldiswalder Platz. Die Margon-Leuchtreklame aus der DDR steht seit 1998 unter Denkmalschutz und strahlt zur Freude vieler Dresdner jeden Abend in der Seevorstadt. Eine ähnliche Leuchtreklame ist der Barock-Schriftzug aus dem Jahr 1957 im Stadtteil Kaditz, der bis dato dem Verfall preisgegeben war.
Geschichte der Barock-Tinte beginnt vor 200 Jahren
Die Tradition der sächsischen Tintenherstellung reicht bis ins Jahr 1826 zurück. In diesem Jahr gründet der junge Chemiker August Leonhardi unter seinem Namen eine Werkstätte für Büroartikel aller Art. Sein Erfolg ist legendär. Ganze Wagenladungen der Dresdner Produkte gehen in den Export. Das Unternehmen wächst und produziert nicht nur Tinten, sondern auch die Fläschchen, in denen sie verkauft werden. Durch Schlagzeilen wie dieser wird das Unternehmen weltweit noch bekannter: Als sechs Monate nach dem Untergang des Postschiffes „Nordland“ im Jahr 1894 jenes geborgen wird, befinden sich in der Ladung jede Menge verwaschener Briefe. Nur einer ist lesbar, „eindeutig mit Alizarintinte aus den Dresdner Leonhardiwerken verfasst“, schreibt die Zeitschrift „Echo“ 1894.
Ab 1945 wurde dieses Unternehmen als VEB Bürochemie Dresden mit dem Markennamen „Barock“ fortgeführt. Zu den Tinten, kommen Farbbänder für Schreib-, Buchungs- und Rechenmaschinen. Zur Wende erarbeiten im Unternehmen etwa 450 Mitarbeiter, das Unternehmen macht rund eine Million DDR-Mark Umsatz – pro Monat. Als ehemals einziger Tintenhersteller in der DDR forschte, entwickelte und produzierte die Firma Barock über viele Jahre erfolgreich Tinten in Dresden.
Nach der Wiedervereinigung erfolgte eine Umfirmierung in die Barock Bürobedarf GmbH, welche unter dem Namen „Barock“ das Geschäft mit Drucker-Tinten aufrechterhielt. Die Eigentümer wechselten, Gewinne flossen in die Taschen diverser Investoren. Der (vorerst) letzte verschwand 1996 urplötzlich und Barock musste Insolvenz anmelden. Ein neuer Investor aus Frankfurt lässt Hoffnung aufkommen – sie endet 2011 in der erneuten Insolvenz.
Octopus Fluids setzt Tinten-Tradition fort
Die Tradition der Tintenherstellung setzt heute das 2011 gegründete Unternehmen Octopus Fluids mit der Herstellung von Spezialtinten fort. Über 400 Tintenrezepturen umfasst das Octopus-Repertoire. Gunther Lange erklärt: „Unsere Firma stellt technische Tinten für Drucker und Kreativtinten her. Zum Beispiel Druckern Brauereien mit unseren Tinten das Mindesthaltbarkeitsdatum auf“.
Sondereditionen Barock-Tinten
Zu den Kreativtinten zählen die alten, neuen „Barock“-Tinten, deren Markenrechte Octopus 2021 erwarb. Eine Tinten-Edition in den Farben Bordeaux, Marine, Jade, Kaviar, Anthrazit und Umbra soll im 30-ml-Glasfass an die 1910er-Jahre erinnern. Eine zweite Edition greift die Farbwelt der 20er Jahre auf. Passend zur sanierten Leuchtreklame gibt es außerdem sechs Leuchttinten in den Farben Gelb, Grün, Pink, Orange, Rot und Violett, im 100-ml-Fässchen für 12,95 Euro. Und eine Sonder-Edition zum Aufleuchten der alten Reklame – 1000 Mini-Fässer mit blauer Tinte.

Mehr über das Unternehmen und seine Produkte erfahren Sie online unter octopus-fluids.de.
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