Kameramann, Dokumentarfilmer und Sammler Ernst Hirsch gehört zu den ganz außergewöhnlichen Persönlichkeiten von Dresden. Der heute 89-Jährige schenkt uns mit seinem Lebenswerk einen Blick auf das Dresden, das es heute nicht mehr gibt. Über Jahrzehnte sammelte er Filmschätze aus dem alten Dresden. Parallel dazu hielt er die Entwicklung seiner Heimat- und Herzensstadt fest. In seiner längst vergriffenen Autobiografie „Das Auge von Dresden“ verbindet Ernst Hirsch seinen persönlichen Werdegang mit den Veränderungen in seiner Stadt. Weil es keine Neuauflage seines Buches geben wird, erlaubt Ernst Hirsch „leben50“ einen exklusiven Nachdruck.
Wir starten mit dem Vorwort von Eva-Ursula Petereit.
Ernst Hirsch: „Das Auge von Dresden“ – Vorwort
Als Fünfjähriger, staunend vor den Putten in ihrer prallen Fröhlichkeit stehend, wurde er von seiner Mutter im Zwinger gefilmt. Die Kamera hatte sie sich geliehen. Ob sie geahnt hat, dass sie ihrem Sohn damit einen Impuls für sein ganzes weiteres Leben vermittelte?

Der Zwinger war dann auch das Thema seiner ersten eigenen filmischen Arbeit. Er drehte „Barock im Wiederaufbau“. Das geschah im Rahmen einer Fotogruppe bei Zeiss Ikon, wo er Feinoptiker-Lehrling war. Im Herbst 1955, lernte ich, eine damals junge Journalistin, Ernst Hirsch als Mitarbeiter des Fernsehens der DDR kennen. Das war vor 61 Jahren… Wir begegneten uns immer wieder, ob bei der Rückkehr der Dresdner Kunstschätze aus der Sowjetunion, auf der Baustelle der Semperoper, o.ä.. Im Lauf der Jahre verfolgten wir ähnliche Themen wie zum Beispiel Leben und Werk von Otto Griebel und August Kotzsch. Was für gründliche, einfühlsame, achtungsvolle Filme über diese und weitere Persönlichkeiten der Kunstgeschichte hat Ernst Hirsch uns geschenkt! Manchmal schuf er die Filme in eigenem Auftrag, von innen heraus, ein schönes Beispiel dafür ist sein Streifen über Ludwig Richter im italienischen Civitella. Was zu Ernst Hirschs 65. Geburtstag in seinem Flyer über ihn zu lesen war, ist stimmig auch für die Folgezeit: „Seine Filme sind wie er selbst. Er gehört zu den Stillen, die kein Getöse um sich machen, aber zuverlässig und beharrlich zur Stelle sind, wenn etwas mit der Kamera zu dokumentieren ist. Das tut er mit Respekt vor dem Wirken der Väter und Vorväter. Seine Filmen kommen nicht in modernistischer Hektik, sondern in ruhigem Fluss daher. Sie vermitteln ästhetischen Genuss.“
Der Wiederaufbau der Frauenkirche war für den Filmemacher Anlass, nach vierjähriger Tätigkeit in München wieder nach Dresden zurückzukehren. Unmittelbar vor der Wende war die Ausreise aus der ihm zu eng gewordenen DDR genehmigt worden, aber nun zog es ihn mit Macht wieder zu seinen Wurzeln. Hier wollte der dabei sein, mit ganzem Einsatz. Bis zur Kirchweihe 2005 entstand die Filmreihe „Die steinerne Glocke“ mit sieben Folgen. Dies waren eine Auswahl aus 400 Stunden Filmmaterial – welch ein Aufwand nicht nur an Zeit, aber welch ein Wert an dokumentiertem einzigartigen Geschehen.
Und dann die „Dresdner Filmschätze“: vier DVDs mit Szenen nicht nur aus dem Hirsch-Archiv, sondern von Profis und Amateuren, die ihr Leben in Dresden liebevoll zum eigenen Erinnern festgehalten hatten. Die Auswahl erfolgte zusammen mit Autor und SZ Mitarbeiter Dr. Peter Ufer. Und wieder kreuzten sich Interessen und wurden Grüße hin und her bestellt., als ich mit Freunden den Südtiroler Bergführer Toni Mahlknecht in Welschnofen besuchte. Dieser hatte auf einem Dachboden Dresdner Filmaufnahmen aus dem Jahr 1903 gefunden, und Hirsch hatte sie bei ihm als besonderen Schatz für seine Sammlung abgeholt.
Mit dem Schreiben dieses Erinnerungsbuches galt es für den unermüdlichen mittlerweile Achtzigjährigen, sich auf eine neue Ausdrucksweise einzustellen: Jetzt musste Erlebtes nicht in Filmsequenzen, sondern in Worte gepackt werden. Unmengen von Fotos, akribisch geführte Tagebücher, zahllose Veröffentlichungen über ihn sowie die eigenen Arbeiten waren zu sichten – hilfreiche Quellen und doch in der Menge eine zeitraubende Bürde. Sein Blick auf sich selbst ist dabei immer auch der Blick auf die wechselvolle Zeit, die oft ganz direkt in seine Filme einfloss.
Er, der sich immer als „Diener an der Sache“ gesehen hat, schildert nun in seinem Buch auch Persönliches, nicht zuletzt über seine Ehefrau und Assistentin Cornelia und den Sohn Konrad. „Ohne sie hätte ich das alles nicht geschafft.“
So tut sich vor uns die Fülle eines Menschenlebens auf, und wir schauen mit dem „Auge von Dresden“ zugleich auf unsere an Bildern und Geschichten so reiche Stadt.
Danke, Ernst Hirsch.
Ernst Hirsch: Weshalb wollte ich ein Buch schreiben?
Schilderungen von Lebensläufen lese ich sehr gern. Am liebsten von solchen Autoren, die in meiner Heimatstadt Dresden gelebt und gewirkt haben. Seien es die „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“ von Wilhelm von Kügelgen, die „Lebenserinnerungen eines deutschen Malers“ von Ludwig Richter oder die vom Maler und Arzt Carl Gustav Carus. Aus der neueren Zeit liebe ich natürlich Erich Kästners „Als ich ein kleiner Junge war“ oder Otto Griebels „Ich war ein Mann der Straße“. Viele weitere Titel könnte ich nennen. Besonders schätze ich reich bebilderte Biografien, mit Werken von Künstlern oder mit fotografischen Abbildungen.
Hat man ein höheres Lebensalter erreicht und kann auf ein erfülltes privates und berufliches Leben zurückblicken, sollte man Bilanz ziehen und seine zurückgelegten Jahre gedanklich – wie in einem Film – vorüber ziehen lassen. Erinnerungen sind in mir vor allem als Bilder lebendig. Schreiben fällt mir schwer. Auf Fragen eines Gesprächspartners zu antworten, gelingt mir schon eher. So hatte ich das Glück, Sybille Schulz kennenzulernen, die mir Fragen zu meinem Leben, Familie und Beruf stellte. Sie hörte mir in stundenlangen Sitzungen geduldig zu, zeichnete die Antworten auf und bearbeitete sie. Dafür bin ich ihr sehr dankbar, bilden doch dieses 200 Schreibmaschinenseiten eine Grundlage für dieses Buch. Viele Erinnerungen in Form von Fotos sammelten sich an, die das Buch reichhaltig bebildern. Dort, wo in Artikeln und Büchern über meine Arbeit berichtet wurde, lasse ich die Autoren selbst zu Wort kommen.
Wie beginnt man ein solches Buch, wie sollte die inhaltliche Gliederung beschaffen sein? Ich entschied mich für die chronologische Form, will die Vorfahren, die Herkunft, Eltern und Familie, Beruf, Freunde und geschichtliche Ereignisse, die mein Leben mitbestimmten, einbeziehen und meinen Lebenslauf wie einen Erinnerungsstrom schildern.
Das erste Kapitel der Autobiografie „Familie und Kindheit“ erscheint am 1. August auf leben50.de. Eine Beitrag über Ernst Hirsch finden Sie auch HIER. In der Mediathek der SLUB sind viele Filme aus der Sammlung von Ernst Hirsch bereits digitalisiert.