DRESDEN – Eine Dresdner Theater-Koryphäe geht in den Ruhestand. Die 64-jährige Maskenbildnerin Christine Palme entwickelte vor 20 Jahren das Aussehen der Theaterhexe Baba Jaga, aber noch viel mehr. Nun geht sie im Boulevardtheater in Rente.
Ein Grillfest zum Abschied
„Es war so schön mit dir, die Zeit war wunderbar, wir alle danken dir, Im Herzen bleibst du hier.“ Über den Innenhof vom Boulevardtheater Dresden schallen die Stimmen von rund 20 Schauspielern und Schauspielerinnen, die für das Publikum sonst nie in dieser Zusammenstellung zugleich zu hören sind.
Auf die Melodie von „We are the world“ singen die Mimen ein Abschiedslied für Christine Palme. Sie ist bis zu diesem Abend die erste Maskenbildnerin am Boulevardtheater Dresden. Nun tritt sie in den wohlverdienten Ruhestand ein.

Mit einem großen Grillfest bedankten sich die Leitung und die Mitarbeiter des Boulevardtheaters auf der Maternistraße für ihre Arbeit. Das gesamte Ensemble von „Azzurro“ sang für ihre „Königin der Pinsel und Perücken“ – aber auch viele Schauspieler, die gerade nicht in Dresden weilen, waren extra dafür angereist.
Eine Maske für Baba Jaga
Denn sie alle saßen so oft bei Christine Palme auf dem Maskenstuhl.Dort fühlten sie sich wohl und erhielten nicht nur das richtige Make-up für die kommende Theatervorstellung, sondern fanden auch Ruhe und Konzentration, einen Gesprächspartner oder einfach jemanden, der mal zuhört. Und wenn der Tag gar zu anstrengend war, gab es von Christine auch gern mal eine Kopfmassage.
Die Boulevardtheater-Leiter Olaf Becker und Marten Ernst dankten Christine Palme für ihr unermüdliches Dasein.
Denn seit die beiden Theatermänner überhaupt Theater machen, schon Jahre vor der Eröffnung des Boulevardtheaters, war Christine Palme stets an ihrer Seite und begleitete ausnahmslos jede Inszenierung. Infos/Tickets/Programm unter boulevardtheater.de.
Im Jahr 2005 entwickelte sie die Maske für die heute über die Landesgrenzen hinaus bekannte Theaterhexe Baba Jaga – gespielt von Rainer König. Dass diese Figur einmal Kultstatus erwirbt, daran war damals nicht zu denken. Aber auch heute noch tobt Rainer König als Baba Jaga mit der gleichen Maske über die Bühne und feiert im November 20-jähriges Jubiläum.

Doch Christine Palme hat weit mehr, als nur der Baba Jaga ein Gesicht gegeben. 39 Premieren begleitete sie allein am Boulevardtheater Dresden und entwickelte dort Masken für sage und schreibe 307 Bühnencharaktere. Insgesamt werden es noch deutlich mehr sein.
Vom Boulevardtheater bis Tom-Pauls-Theater
Nach der Schule erlernte sie den Beruf der Theaterfriseurin und studierte dann an der Hochschule für bildende Künste Maskenbild. Anschließend arbeitete Christine Palme für ein Jahr an den Landesbühnen Sachsen, pausierte dann für 12 Jahre und widmete sich daheim ihren drei Kindern. Als diese dann so langsam ihre eigenen Wege gingen, stieg sie wieder im erlernten Beruf ein. Ganz langsam zunächst mit einigen Jobs für das Dresdner Zwingertrio. Ab 1996 war sie Masken-Chefin an der KOMÖDIE Dresden, arbeitete aber auch immer wieder in der freien Szene. Für „Faust ohne Worte“ – das pantomimische Theaterprojekt von Tom Quaas – entwickelte sie alle Masken, ebenso für unzählige Projekte am Tom-Pauls-Theater. Infos/Tickets/Programm unter tom-pauls-theater-pirna.de.
Diesem bleibt sie auch in ihrer Rente noch etwas treu und wird Tom Pauls hier und da die Nase und Wangen pudern. Auch das Boulevardtheater lässt sie nicht ganz los – ein paar Dienste wird sie hin und wieder übernehmen, aber die große Verantwortung der gesamten Abteilung legt sie nun vertrauensvoll in die Hände ihrer Nachfolgerin.
Die Nasen der Baba Jaga
Gefragt, nach dem schönsten Projekt oder ihrer liebsten Inszenierung, findet Christine Palme keinen wirklichen Favoriten. Denn das, was ihr am meisten Vergnügen bereitet, ist es, im Gespräch mit Regie und Schauspieler die richtige Maske zu entwickeln und einen Weg zu finden, wie sie mit ihren Mitteln die Inszenierung am besten unterstützen kann. Nach kurzer Überlegung fällt ihr dann aber doch noch etwas ein: Märchen! Sie sind vielleicht doch ein Stück weit die große Liebe der Maskenbildnerin, denn hier kann sie all ihrer Fantasie und dem Handwerk freien Lauf lassen, kann Drachen basteln, Augenfarben ändern, Pickel modellieren, Kronen stecken und ja… eben auch eine Hakennase kleben. Aber auch das ist leichter gesagt, als getan: Denn vor allem muss die Nase halten. Baba Jaga hat ihre in all den hunderten Vorstellungen nur einmal verloren. Aber da hatte Christine keinen Dienst.

Thomas Kaufmann