Draußen ist’s heiß, und man vergisst ja schnell. Aber bei Winzern (die weiblichen eingeschlossen) ist das anders: die haben ein Temperatur-und-Wetter-Langzeitgedächtnis. Den Frost 2024 beispielsweise werden sie nicht so schnell vergessen, denn sowas braucht ja kein Mensch, dass einem der werdende Wein unter den Fingern weg friert. Frost gab’s in Sachsen reichlich, mit hohen Ernteverlusten – aber auch in anderen deutschen Anbaugebieten waren die Nächte im April 2024 kalt und die Ernten gering. Was also tun?
Eisheilige in der Flasche
Wer diese Seite regelmäßig besucht, weiß ( https://leben50.de/literatur-und-genuss/eisheilige-in-der-flasche/): bei Schloss Proschwitz ist man nach Baden gegangen, hat dort geerntet und ausgebaut und verkauft jetzt hier (recht erfolgreich, übrigens) die „Eisheiligen“ in weiß und rosé. In Franken, genauer im westlichen Zipfel, der sich Churfranken nennt, war’s auch bitterkalt – und entsprecht gering teils die Ergebnisse der Lese. Der Winzer Christian Herkert aus Klingenberg machte aus der Not eine Tugend und komponierte eine Cuvée, die er „Frosty“ nannte.

Herkert ist gelernter Winzer (seine Lehre machte er in der Nachbarschaft bei Paul Fürst, einem der ganz großartigen deutschen Winzer) und hat Weinbau und Önologie studiert. Das Weingut machte er 2010 zum Vollerwerb (Vater und Opa betrieben die Winzerei noch als Hobby), seit 2014 arbeitet er biologisch und ist seit 2021 auch zertifiziert. Das Weingut Hofmann-Herkert ist ein kleiner Betrieb mit drei Hektar, einer in den Steillagen des Klingenberger Schlossbergs, die anderen sind flacher und können mit dem Traktor bewirtschaftet werden.
Für Notfall gute Mischung
Beim Besuch des Winzers verrät Christian Herkert die Zusammensetzung der Cuvée: Silvaner, Chardonnay, Sauvignon Blanc, ein kleines bisschen Muskateller und Traminer. Ganz schön viel, aber auch in Franken haben die Winzer meist ein breites Sortiment – es sei denn, sie spezialisieren sich auf Silvaner oder (vor allem in Churfranken) auf Burgunder. Den Sauvignon Blanc riecht man sofort raus, beim Probeschluck aber drängt sich der Traminer am Gaumen ein wenig in den Vordergrund. Und irritiert bemerkt man: für einen Notfall ist das ja eine sehr gut geratene Mischung!
Es blieb nicht beim Probeschluck, Frosty hat Trinkfluss und lädt zum zweiten Schluck (oder auch Glas…) ein. Das liegt wohl auch an der kleinen Restsüße von sieben Gramm – für Franken, die traditionell fränkisch trocken mit gar keinem bis höchstens vier Gramm Restzucker. Absicht war das allerdings nicht: die Hefen haben schlichtweg ihre Arbeit eingestellt, der Wein ist stehen geblieben. Schlauer Plan, denn dem kleinen Süße-Schwänzchen stehen auch ebenfalls sieben Gramm Säure gegenüber – und das kompensiert die Süße dann schon etwas.

Wo gibt es Frosty?
Frosty gibt’s nicht im online-Shop, aber auf Nachfrage beim Winzer (auch Franken haben Bückware!). Infos zum Weingut finden Sie online unter hofmann-herkert.de.

Dazu ein Tipp: In Churfranken haben die Häcker große Tradition – so etwas wie bei uns die Besenwirtschaften, allerdings meistens an mehreren Terminen im Jahr. Bei Herkerts bereitet die Familie nicht nur die üblichen Dinge zu, es gibt auch selbst geerntete Oliven (vom Olivenbaum des Bruders)! Und natürlich alle Weine des Weinguts. 2025 hat die Häckerwirtschaft noch zweimal geöffnet: 22.10. – 26.10. und 26.11. – 30.11. täglich von 11:30 – 22 Uhr.

Unser Autor Ulrich van Stipriaan ist bekennender Genussmensch. Seine profunde Weinkenntnis ist im Podcast „Auf ein Glas!“ zu hören. Ebenfalls unter stipvisiten.de finden sich online Reiseberichte, Restaurantkritiken sowie Beiträge über Wein und Winzer. Lesen Sie HIER ein weiteres Weinporträt.